In dieser Rubrik soll an frühere Polikliniken und Ambulatorien erinnert werden, in denen examinierte Sprechstundenschwestern tätig waren und die entweder eine architektonische oder sonstige historische Bedeutung aufweisen und/oder die es in ihrer ursprünglichen Funktion oder generell nicht mehr gibt.
Die Poliklinik Mitte, Kleine Klausstr. 16, Halle (Saale), erlangte spätestens seit dem 2014 erschienenen Buch „Disziplinierung durch Medizin“ traurige Berühmtheit. Die Geschichte der geschlossenen Venerologischen Station von 1961 bis 1982 hat Mona Krassu in ihrem 2020 veröffentlichten Roman „Falsch erzogen“ aufgegriffen.
Viele Jahre stand das nach 1532 erbaute, früher als Gasthof und zuletzt als Poliklinik fungierende Gebäude leer. Nach einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung entstehen in dem Baudenkmal nun 45 Wohnungen.
Fotos: Dagmar Möbius (September 2020)
Die erste Poliklinik der Stadt Halle hieß Poliklinik Süd, später Ambulatorium Diesterwegstraße. Sprechstundenschwester Andrea Seidel arbeitete hier bis 1990. Im späteren Stadtkrankenhaus Bergmannstrost mit 400 Betten ließen sich die Hallenser bis 1989 medizinisch versorgen. Heute gehört das Klinikum mit zehn Fachkliniken und 580 Betten zu den modernsten Traumazentren in Deutschland. (Eigendarstellung)
Am 23. Oktober 1950 nahm die Poliklinik Nord als zweite Einrichtung ihrer Art in Halle den Betrieb auf. Als Domizil wurde das bisherige Kinderheim „Adelheidsruh“ in der Schopenhauerstraße 4 ausgewählt. Anfangs praktizierten dort fünf Ärzte in vier Fachabteilungen. Im März 1953 wurde ein neuer Trakt angebaut, in dem 14 Ärzte unter besseren Bedingungen arbeiten konnten.
Aus Anlass ihres 30. Jahrestages im Oktober 1980 verlieh der Kreisarzt, Dr. Klaus Magyar, der Poli Nord den Namen „Johann Christian Reil“. Inzwischen arbeiten in 17 Fachabteilungen 60 Ärzte und 20 Zahnmediziner (mit angeschlossenen Außenstellen insgesamt 376 Angestellte). Um nach der politischen Wende den Fortbestand der Einrichtung zu sichern, gründeten die Diakoniewerke Halle und Kaiserswerth (bei Düsseldorf) im April 1991 eine gemeinnützige GmbH. Seit 1999 heißt die Poli Reil offiziell „Johann Christian Reil gGmbH – Poli Reil“ und wurde nach umfangreichen Baumaßnahmen wiedereröffnet. Im Jahr 2000, dem 50. Jahr ihres Bestehens, war sie (offizielle Adresse heute: Johann Christian Reil gGmbH Poli Reil, Reilstraße 129 a, 06114 Halle) die einzige noch verbliebene Poliklinik in Sachsen-Anhalt. (Quelle)
Update und Lesetipp vom 27. Mai 2021:
An mit diesen Polikliniken verbundene Erlebnisse aus der Zeit um 1970 erinnert die Autorin Monika Heinrich im Artikel Ungewollt schwanger – gestern, heute, morgen … Erschienen im nicht kommerziellen Online-Magazin hallesche störung.