Es wird verstärkt über den Osten diskutiert. Mehr als früher? Konstruktiver? Von wem, warum und mit welchem Fokus? Ändert sich etwas und wenn ja, was? Das Landesbüro Thüringen der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierte mit dem Forum Ostdeutschland der Sozialdemokratie e.V. eine hybrid-digitale Veranstaltung unter dem Motto „Im Osten viel Neues. Leben, Arbeit und Zukunft in Ostdeutschland“. Sogar eine Schwester wurde erwähnt …
Warum so eine Veranstaltung? „Weil der Osten viel besser ist, als er oft dargestellt wird“, begründet Mirko Hempel (FES). „Ein großes Problem ist immer noch die reale Unterrepräsentanz der Ostdeutschen 30 Jahre nach der Wende.“ Oft werde die sachliche Ebene diskutiert, ohne Gefühle gefühlter Zurückweisung einzubeziehen. Ein anderer Aspekt: Es gibt (zu) wenige Menschen, die das Land mitgestalten. Um Demokratie zu leben, dürfe keine Generation abgeschrieben werden, meint Oliver Lindner vom Forum Ostdeutschland.
Viele kluge Köpfe kamen zu Wort. Westdeutsche, die Ostdeutschland als neue Heimat bezeichnen, und für gegenseitigen Respekt plädieren. Ostdeutsche, die Klischees hinterfragen und Sichtbarkeit herstellen. Wissenschaftler*innen, die Transformation erforschen und Fakten schaffen, die Sachdiskussionen ermöglichen. Politiker*innen, die ihre Motivation und ihre Schwerpunkte erklären.
Ein Beispiel beruflicher Entscheidungen infolge der Sozialisation erwähnt Carsten Schneider (MdB): „Ein Mädchen aus meiner Klasse mit Abi-Durchschnitt 1,0 wurde Krankenschwester. Sie wählte die sichere Nummer.“
Frage von Sprechstundenschwester [hier, im Forum nicht möglich]: Hat das möglicherweise mit Image und Anerkennung bestimmter Berufsbilder zu tun? Und was kann man ggf. daraus lernen?
Weitere anregende Impulse aus den Podien und Foren möchte ich spontan teilen:
„Demokratie ist kein Zustand, sondern eine Aufgabe. Man muss daran arbeiten. […] „Politik ist vor allem Psychologie, Selbstbewusstsein gehört dazu.“ Georg Maier, Innenminister im Land Thüringen
„(Gesellschafts-)Transformation endet nicht. Prozesse reichen in neue Prozesse hinein, mit Überlappungen und Abweichungen.“ […] „Wir sollten über Offenheit, Neugier, Differenzierungsvermögen und innovative Experimentierfreude sprechen.“ Prof. Raj Kollmorgen, Hochschule Zittau/Görlitz
„Wir leben manchmal auch in einer ostdeutschen Blase.“ Elisabeth Kaiser, MdB
„Mir fallen zwei Trend-Hashtags ein: #Wirsind5 [bzgl. der Neuen Bundesländer] oder #Wirsindanders. Ich hoffe, einer setzt sich in der Debatte durch.“ Josa Mania-Schlegel , Journalist, LVZ
„Die ZEIT im Osten müsste bundesweit erscheinen, so ist es verschenkt.“ Anne Haeming, freie Medienjournalistin
„Ich wünsche mir nach Jahrzehnten von Ratgeberjournalismus mehr Investigatives.“ „Wir müssen uns die Besitzverhältnisse [der Medienhäuser] anschauen.“ Dr. Lutz Mükke, Journalist und Autor der Studie „30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung“
Fazit: Gelungene Veranstaltung mit viel Vernetzungs-, weiterem Diskussion- und Streitpotenzial.
Ein Mitschnitt soll in Kürze auf https://www.fes.de/im-osten-viel-neues verfügbar sein.