Am heutigen internationalen Frauentag veröffentliche ich die erste Sequenz aus einem längeren Interview, das ich im Februar 2021 mit Dr. Peter-Michael Diestel führen durfte. Der frühere Vizepremier und letzte Innenminister der DDR ist bekannt dafür, Dinge beim Namen zu nennen. Was der heute als Rechtsanwalt in Mecklenburg-Vorpommern Tätige zur Problematik der examinierten Sprechstundenschwestern zu sagen hat, dürfte nicht allen Berufskolleg*innen gefallen. Aber es gehört zur historischen Wahrheit und es zeigt auch jetzt noch Handlungsspielraum auf.
Teil I
Der Einigungsvertrag musste in Rekordzeit verhandelt werden. Müsste man Fehler nicht korrigieren, auch oder gerade nach drei Jahrzehnten?
Dr. Peter-Michael Diestel:
„Sprechstundenschwestern sind keine staatstragende Berufsgruppe, die man rentenrechtlich, sozialrechtlich zurücksetzen muss. Es war eine hoch verdienstvolle und vernünftig ausgebildete Berufsgruppe. Ich kann mir schon vorstellen, dass das hoch spezialisierte Krankenschwestern waren, vielleicht waren auch paar Männer dabei, ich weiß es nicht, wo es überhaupt keinen Sinn macht, sie berufsrechtlich zurückzusetzen und dass sie lediglich in ihrer Existenz nach der Wende Defizite hatten, Lobbystrukturen aufzubauen, fähige Anwälte einzusetzen, die sagen: Passt mal auf liebe Freunde, hier ist was vergessen worden. Und wenn es nicht vergessen worden ist, dann wird es nicht so berücksichtigt, wie man diese Berufsgruppe berücksichtigen müsste. Also wenn das eine große Anzahl von Frauen, von Menschen, betrifft, gerade jetzt in Corona-Zeiten muss man sagen: So viel Dämlichkeit kann es gar nicht geben. Ich glaube, dass sich diese Berufsgruppe nicht ordnungsgemäß gewehrt hat. Mit Widerstand hätte man viel erreichen können.“
Fortsetzung folgt
Foto: ©Herr Direktor
Sprechstundenschwester.de interviewt Dr. Peter-Michael Diestel in seinem Arbeitszimmer.